Damit wollte mir Philipps Gassigängerin, während sie sich von Philipp durch die Gegend ziehen ließ, sagen, dass Philipp Menschen ziemlich überflüssig findet. Genau genommen, findet Philipp Menschen aber nur überflüssig, wenn er sie nicht ernstnehmen kann. Und da kann ich ihn wirklich gut verstehen, weil ich beizeiten durchaus ähnliche Tendenzen spüre. Philipp wurde wegen „keine Zeit mehr“ im Tierheim abgegeben, mittelgroß, 12 Jahre alt, schwarz, mit leichter Aggressionsproblematik. Ressourcen wären sein Thema, wurde mir gesagt. Seinem Exterieur nach kann man von einer Mischung aus Border x Schäferhund oder so ausgehen. Keine Rassedisposition, bei der man als erstes denkt: Auf keinen Fall nah am Menschen! Aber Aussehen ist halt nur Aussehen und Rasse nur Rasse, das muss nix heißen.
Da Philipp mit diesen Eckdaten, gelinde gesagt, nicht sooo gute Vermittlungschancen hatte und außerdem ziemlichen Stress im Tierheim, suchte das Tierheim eine Pflegestelle. Genau das richtige für mich, dachte ich. Also fuhr ich 300km gen Süden, um mir den Hund mal live anzugucken. Nach dem leicht chaotischen Spaziergang mit seiner Gassigängerin, bei dem Philipp hauptsächlich damit beschäftigt war, wie Sau an der Leine zu ziehen und möglichst viel zu pinkeln, sagte mir mein Bauchgefühl: Yes. Nehme ich mit. Also sicherheitshalber mit Maulkorb ins Auto gepackt und los. Noch am selben Abend: Vergesellschaftung mit den anderen Hunden: Check. Am nächsten Morgen: Das an der Leine ziehen abstellen. Läuft. Womit nicht gesagt ist, dass das sofort immer und überall funktioniert, im Gegenteil: Neues Verhalten muss erstmal in verschiedenen Kontexten erlernt werden, um etabliert zu werden. Der Kernpunkt ist, dass ich Philipp Grenzen gesetzt habe, was er vermutlich vorher nie kennengelernt hat: Er hat ziemlich schnell gemerkt, wer ihm da gegenübersteht. Hunde können sowas sehr gut einschätzen. Zumindest die meisten.
Situationen, in denen er sich mit aggressivem Verhalten durchsetzen wollte, hatte ich mit ihm, ja. Aber das, was bei ihm als Aggressionsproblem beschrieben wurde, ist wunderschöne, glasklare hündische Kommunikation. Hauptsächlich droht Philipp nämlich und kommuniziert damit wie aus dem Lehrbuch. Aggression gehört nun mal zum hündischen Verhalten dazu und dient erstmal der Konfliktvermeidung, das heißt dem Verhindern von ernsthaften Beschädigungen. Und da Philipp mit seinem Drohverhalten wahrscheinlich ausreichend Erfolg hatte, kann er das jetzt par Excellence. Klar ist es nicht angemessen, mich anzudrohen, wenn ich ihn vom Sofa schicken will, aber da er bis jetzt nie eine passende Antwort auf sein Verhalten bekommen hat, stellt sich die Frage, warum er seine Strategie ändern sollte? Aggressivität steckt tiefverankert in all unseren Hunden, nur inwieweit sie zum Vorschein kommt, hängt letztendlich auch zum Großteil von den Lernerfahrungen ab.
Und um mal den Bogen zu bekommen: Dadurch, dass Philipp bei mir mit seinem Verhalten nicht weiterkommt und durch bestimmte Regeln, an die er sich zu halten hat, nimmt er mich relativ ernst und respektiert mich. Tatsächlich wäre Philipp der absolute Stalker, der mich ständig überall hin verfolgt, wenn ich ihn denn lassen würde. Fazit: 1. Bis auf ein paar kleine Macken ist Philipp der unkomplizierteste Hund, den ich je hatte. Und wer hat keine Macken?! 2. Keine falschen Vorannahmen treffen. Und 3. Nehmt mehr Hunde aus den Tierheimen auf. 🙂
Hast du Lust auf mehr wertvollen Input zum Thema Beziehung und Erziehung?
Dann hol dir gerne mein kostenloses Mini-Ebook, in dem du dich ganz einfach unten in meinen Newsletter einträgst. 🙂